Inhalt:
- Problemaufriss
- Handwerkszeug: Die Operationalisierung
- Standardbasierte Unterrichtsplanung
- Prinzipien der Unterrichtsentwicklung
- Unterrichtsentwicklung konkret
a. Unterrichtsentwicklung als Methodencurriculum
b. Unterrichtsentwicklung als Soziales Lernen / Kooperatives Lernen
1.Problemaufriss
Wie bei dem Kapitel Schulentwicklung bereits angesprochen, ist das Gelingen von Schulentwicklung entscheidend mit der Verbesserung der Qualität von Unterrichtsprozessen und der Gestaltung der Interaktionen verbunden. Auch die bereits zitierten Zürcher Untersuchungen rücken den Stellenwert von Unterricht in den Vordergrund:
Die Resultate zeigen,
- dass Schulen stark von Umweltfaktoren abhängig sind,
- gleichwohl selbst eine starke Einflussgröße darstellen,
- weil und soweit die Leistungen ihrer Schüler durch die Qualität des Unterrichts bestimmt werden.
Das gilt negativ wie positiv: Die Qualität des Unterrichts, nicht einfach dieser selbst, kann den Lernfortschritt fördern oder behindern, je nachdem, ob im Prozess gute oder schlechte Qualität entwickelt wird. (J. Oelkers a.a.O. S. 65)
Definition: Unterrichtsentwicklung |
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meint die von der gesamten Lehrerschaft, aber auch vom einzelnen Lehrer und von der einzelnen Lehrerin ausgehenden Initiativen zur Veränderung des Unterrichts zum Zwecke der Optimierung:
Unterrichtsentwicklung betrifft den Unterricht als das eigentliche pädagogische Handeln in der Schule. Dazu gehören:
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Wenn Sie jetzt zum Kapitel 2. Unterrichten zurück gehen, können sie sich noch einmal kritisch mit den den Merkmalen guten Unterrichts auseinandersetzen.
Zum Überlegen
Um wieder einen Überblick über das wichtige Merkmal "class -management" zu erhalten, können sie die folgende Tabelle nehmen und sich übelegen, welche Führungsaufgaben sie entsprechend den 6 Thesen bereits bewältigten!
Führungsqualitäten im pädagogischen Feld
Die politische Diskussion um die Leistung unseres Bildungssystems nach den großen internationalen Vergleichsstudien rückt zur Zeit den „output“ der Schulen in den Vordergrund. Die Schulen müssen sich jetzt der z.T. als anrüchig betrachteten Frage stellen, ob in der Schule auch tatsächlich „effektiv gearbeitet“ wird. Dieser Außenbeobachtung gegenüber kann eine Innenbetrachtung helfen, Vorurteile abzubauen. Strukturierte Beobachtung gehört deshalb mit zum wichtigsten Rüstzeug eines jungen Lehrers.
1.These:
Unterrichten steht im Spannungsfeld „Umgang mit Menschen um ein Ergebnis zu erreichen“. (Quadrant 1).
- Die Handlungen der Lehrkraft sind geeignet die Lernkompetenz der Schüler/innen und deren Wissen zu steigern.
2.These:
Um Unterrichten zu ermöglichen, sind die sozialen Bedingungen im Spannungsfeld Menschen - Werte zu berücksichtigen. (Quadrant 2).
- Die Handlungen der Lehrkraft sind geeignet die soziale Kompetenz der Schüler zu vergrößern.
3.These:
Als Mittel zur Gemeinschaftsbildung sind nur kommunikative Mittel vorhanden. Neben Stabilität erlaubt dies auch dem gesellschaftlichen Wandel zu folgen. (Quadrant 3).
- Die Handlungen der Lehrkraft begünstigen demokratisches (ethisches) Verhalten und Handeln.
- Sie versteht es schwierige soziale Sachverhalte zu verbalisieren und Diskussionsprozesse einzuleiten.
4.These:
Unterrichten ist ein Wagnis, das bewährte alte Strukturen der Schüler an neue Verhältnisse anpasst bzw. dem Lernenden helfen, neue Erfahrungen zu machen, neues Wissen aufzunehmen.
- Die Handlungen der Lehrkraft orientieren sich an Standards, sie evaluiert Unterricht und erweitert die Lernkompetenz der Schüler/innen.
- Die Lehrkraft erkennt Veränderungen in der Klasse und reagiert darauf flexibel.
5.These:
- Die aufgezeigten Felder sind miteinander verwoben und werden nur als künstliche – damit eine systematischen Beobachtung leichter ermöglicht wird - Einheiten verwendet.
6.These:
- Ein "guter Lehrer" versteht es, Inhalte und Prozesse so zu gestalten, dass sie von den Schülern als ihnen zugehörig betrachtet werden (--> ownership; Prinzip der Nachhaltigkeit).
Weil die Orientierung an Standards als neues Werkzeug zur Qualitätssicherung eine immer größer werdende Bedeutung besitzt, werden sie noch einmal in Ihrer Bedeutung für Sie dargestellt.
2. Handwerkszeug:
Die Operationalisierung
Standard |
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Kompetenz |
Kriterium |
Indikator |
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Fachkompetenz |
kennt Stand der Wissenschaft |
verwendet Fachbegriffe richtig |
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stellt Zusammenhänge richtig dar |
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kennt Unterschiedliche Modelle |
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Fachdidaktische Kompetenz |
kennt das problemorientierte Verfahren nach... |
kann Grundzüge X,Y,Z darstellen.
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a. Das Unterrichten im Fokus
In diesem Quadranten wurden Kompetenzen ausgebracht, die stärker auf die Qualität des Wissenserwerbs abhebt. Jede einzelne dieser Kompetenzen lässt sich an verschiedenen Kriterien festmachen.
Der Standard „kann Wissen vermitteln“ z.B. setzt Fachkompetenz und fachdidaktische Kompetenz des Lehrers /der Lehrerin voraus. Fachkompetenz zeigt sich an verschiedenen Kriterien:
- Kennt die Sachlage.
- Unterscheidet zwischen verschiedenen Modellen, ....
Beobachtbar im Unterricht sind jedoch nur die Indikatoren:
- beschreibt Sachverhalte im momentanen Unterricht richtig,
- baut Demonstrationsexperimente richtig auf,
- gibt Anweisungen, denen die Schüler folgen können,
- veranschaulicht durch Modelle,
- schreibt richtig an die Tafel,
- setzt das didaktische Modell X, Y, Z sachgerecht ein,
- erklärt Sachverhalte richtig,...
Dies lässt sich auch an den anderen Kompetenzen durchspielen.
Die in Pisa festgestellte fehlende Diagnosekompetenz deutscher Lehrer
beinhaltet u.a. als Kriterien:
- kennt verschiedene Diagnosemodelle,
- kennt Chancen und Grenzen der Verfahren,
- kann die Ergebnisse interpretieren,
- erstellt Förderpläne.
Beobachtbar sind
beim Unterrichten nur: der Einsatz eines Verfahrens, dessen Auswertung
und die konkrete Förderung nach Plan.
Für die metakognitiven Kompetenzen ist es notwendig, dass der Lehrer verschiedene
Lernstrategien und Reflexionsformen (Kriterium) kennt und auswählen
kann,...
Die hier herausgearbeiteten Felder entsprechen den empirisch herausgearbeiteten Kategorien von Bauer, Kopka & Brindt und den geschilderten Befunden von Helmke und Weinert.
b. Das Erziehen im Fokus
Die
Formen des erzieherischen Einwirkens ist auch immer mit der Persönlichkeit
der Lehrkraft verbunden, so dass scheinbar die gleichen Handlungen bei Schülern/innen
oft unterschiedlich wirken.
Umgekehrt sollte auch eine sehr gute Kenntnis der
Schülerpersönlichkeiten vorhanden sein, damit eine erzieherische
Maßnahme maßgeschneidert wirkt.
Wenn Lehrerverhalten also beobachtet und analysiert werden soll, ist es
immer auf Kontextangemessenheit zu überprüfen.
Zur Beobachtung geeignet sind vor allem
prozedurale Verfahren:
- „Wie gestaltet,
- wie lobt.... der Lehrer/ die Lehrerin/
ich?
Da für die erzieherische Dimension viele Beschreibungen vorliegen,
soll hier auf eine weitere Darstellung verzichtet werden.
Zu bedenken bleibt jedoch, dass jede Lehrkraft die sozialkompetente Schüler
erziehen will, selbst sozialkompetent sein sollte. (Stichworte: Kongruenz,
Lehrerpersönlichkeit )
3. Standardbasierte Unterrichtsplanung
Wenn durch die Einführung der Bildungsstandards in BW 2004 wirklich der Unterricht verändert werden soll, bedarf dies nach Böttcher (Vortrag 2006 in Stuttgart) eines Umdenkens bei der Unterrichtsgestaltung, damit nicht die "alte Unterrichtsplanung und das alte Unterrichten" mit neuer Terminologie fortgesetzt wird.
Wenn sie die Gegenüberstellung in der Tabelle betrachten, finden sie die wesentlichen Unterschiede kurz zusammengefasst.
herkömmliches Planungsmodell | standardbasierte Planung |
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1. Thema wird von Lehrkraft ausgewählt. | 1. Lehrkraft wählt zu schulenden/ unterrichtenden Standard aus. |
2. Unterrichtseinheit wird entworfen, Methoden eingeplant, ... | 2. Aus dem Standard werden die beobachtbaren Tätigkeiten der Schüler und die zur Verfügung zu stellenden Hilfsmittel abgeleitet, die die Lehrkraft erkennen lassen: "Der Schüler hat den Standard erreicht!" Eine weitere wichtige Frage in dieser Phase ist auch: "Kann jeder Schüler
diesen Standard erreichen?" |
3. Durchführung der Unterrichtseinheit | 4. Jetzt erst erfolgt die eigentliche Unterrichtsplanung und die
Durchführung
des Unterrichts. |
4. Nach Abschluss der Unterrichtseinheit wird ein Test entwickelt. Oft fließen Erfahrungen aus der Durchführung mit ein: "war zu schwer... ", die die Lehrkraft veranlassen, den Test in bestimmte Richtungen zu verändern. |
3. Vor dem Unterrichten entwickelt die Lehrkraft eine Leistungsüberprüfung,
die nach der Unterrichtseinheit in dieser Form auch durchgeführt wird. |
5. Rückmeldung, häufig nur in der Form von Noten | 5. Mit den Ergebnissen der Leistungsüberprüfung ist eine Rückmeldung an die Schüler aber auch an die Lehrkraft verbunden: "Hab ich die angemessenen Verfahren, ... eingesetzt?" Eine Feinanalyse ist für Schüler, die den Standard nicht erfüllt haben,
zwingend notwendig. |
6. Manchmal Förderung, häufiger jedoch: Neues Thema | 6. Aus der Feinanalyse werden bei Mindeststandards (" Diesen Standard
müssen alle Schüler erreichen") Fördermaßnahmen entwickelt.
Erst wenn der Standard erreicht wurde , können nach Böttcher neue Standards in Angriff genpommen werden. |
vergl. Böttcher a.a.O. S. 701 ff |
Die Orientierung an Standards für den Unterricht könnte einen für
die Schule
"revolutionären Charakter" besitzen, wie in manchen Zeitungen
beschrieben wurde, der leicht übersehen wird. Wenn die Schule verpflichtet
ist, allen Schülern
die Kompetenzen beizubringen/ die Schüler bei deren Erwerb zu unterstützen,
dann besteht u. U. auch ein Rechtsanspruch der Eltern/Schüler auf Erfüllung.
Auch wenn diese Vorstellung noch weit gegriffen sein mag, bedeutet dies, dass
Standards das Recht auf Bildung und damit die Gestaltung des Unterrichtes erheblich
beeinflussen könnten.
Begleitende Instrumente
Doch Standards allein, sind nur ein Instrument. Benötigt wird ein ganzes Konzert zur Unterrichtsentwicklung. Zur "standard - based - reform" , wie sie in den USA durchgeführt wurde, zählt Böttcher folgende Instrumente:
- Autonomie der Schule
- Die Schulen sind im erhöhten Umfang selbstständig. Die Anpassung an das individuelle Umfeld bedingt als Gegengewicht, eine höhere Verbindlichkeit von Standards (Kerncurriculum).
- Kerncurricula
- "Standards bilden die Basis für die im Klassenzimmer verwendeten Curricula. Wenn die Standards klar und präzise sind, ist es relativ leicht, auf ihrer Grundlage Kerncurricula zu entwickeln, die für alle Schüler verbindlich sind. Es ist durchaus vorstellbar, dass die einzelne Schule Autorin ihrer Kerncurricula wird. Bei starken Standards dürften die Kerncurricula innerhalb einer tolerablen Bandbreite relativ einheitlich ausfallen. Mit der Unklarheit und Allgemeinheit der Standards wächst allerdings die Beliebigkeit der in schulischer Autorenschaft entstehenden Curricula. Ungleiche Kerncurricula aber wären ein großes Problem, weil starke Standards ja programmtisch für alle Schüler/innnen gelten. Nur durch die Verpflichtung auf harte Standards ließe sich vermeiden, Kinder aus bildungsfernen Schichten durch verwässerte Curricula zu unterfordern und sie systematisch vom erfolgreichen Lernen anspruchsvoller Inhalte auszuschließen."
- Leistungsmessung und Förderung
- Die Leistungsmessung orientiert sich an den Kriterien.
- Sie orientiert sich an den Standards.
- Sie ist anspruchsvoll, reichhaltig und variantenreich.
- Sie muss mehr als simple Lernziele messen können.
- Rechenschaft;
- Lehrer wie Schüler werden rechenschaftspflichtig: "Warum haben
wir diesen Standard nicht erreicht?"
"Lehrer/innen und Schüler/innen werden zu belegen haben, warum es nicht möglich war, alle Schüler/innen zum Standard zu führen. Liegen gute Gründe vor, rechtfertigt das den Einsatz zusätzlicher Hilfen für diese Schüler/innen und ihre Lehrer/innen."
- Lehrerbildung
- Vorrang zur Umsetzung von Standards hat die Fortbildung aller aktiven Lehrkräfte, da die Umsetzung durch die Hochschulen aller Erfahrung nach erst nach 5-10 Jahren wirksam wird.
Zielsetzungen für eine neue Unterrichtskultur: |
Ziele der Bund- Länder - Kommission für die Entwicklung eines Zukunft ermöglichenden Unterrichtsstils:
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4. Prinzipien der Unterrichtsentwicklung
Wie wir bereits in Kapitel 2 gesehen haben gibt es "den ganz bestimmten guten Unterricht" nicht und kann ihn auch nicht geben. Trotzdem ist die Auseinandersetzung um "guten Unterricht" im Kollegium an einer Schule von ganz besonderer Bedeutung:
- Das Lehrerkollegium entwickelt gemeinsam ein Bild von Unterricht. (Minimalkonsens)
- Kriterien und Indikatoren werden diskutiert und vereinbart.
- Unterrichtsstunden, Einheiten und Projekte werden gemeinsam geplant.
- Neue Methoden werden vorgestellt und dann vielleicht auch erprobt.
- In gemeinsamer Diskussion werden Inhalte verändert und den neuen Gegebenheiten angepasst.
- Unterrichtsergebniss und Unterrichtsprozess werden analysiert und evaluiert.
Unterrichtsentwicklung ist ein fortlaufender, nie endender Prozess!
Literatur
Böttcher; W. (2006): Outputsteuerung durch Bildungsstandards. In: Buchen, H. &. Rolff, H. - G.: (Hrsg.; 2006): Professionswissen Schulleitung; S. 673 - 710.